14.07.2015 Ein aktuelles Beispiel zeigt, dass professionelle Hilfe sich bezahlt machen kann. Die gegen meinen Mandanten erhobene Klage in einer Angelegenheit wegen des Vorwurfs illegaler Tauschbörsennutzung ist vom Amtsgericht Bielefeld abgewiesen worden.
Gegen die Klageforderung war u.a. eingewandt worden, dass die Klägerin nicht aktivlegimiert war (u.a. „Internet Rights are excluded“ lt. Vertrag), dass die Tauglichkeit der Ermittlungen nicht erwiesen ist (Guardaley Ltd.), dass der Beklagte ohnehin nicht haftet (Mehrpersonenhaushalt) und dass die Forderung verjährt ist.
Das Gericht hat die Klage mangels Haftung antragsgemäß abgewiesen, interessante Ausführungen zum Umfang der sekundären Darlegungslast gemacht und die übrigen Einwände dahinstehen lassen.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadens- und Aufwendungsersatz wegen des unerlaubten Anbietens des Filmwerks am 11.10.2009 im Rahmen einer Internettauschbörse in Anspruch.
Der zuvor genannte Film wird unter anderem auf DVD im Handel vertrieben. Auf dem DVD-Cover findet sich ein ©-Vermerk zugunsten der Klägerin. (Wegen der Einzelheiten wird Bezug auf die Abbildung des DVD-Covers, Bl. 24 der GA, genommen.) Nach einem von der Klägerin vorgelegten Lizenzvertrag mit der Big Screen Entertainment Group sind folgende Rechte lizenziert:
"Video and DVD Rights: Yes (Rights include VHS, DVD, Next Gen Formats (...), VOD, Download but no TV. Internet Rights are excluded and stay solely with Licensor."
Der Beklagte ist Nutzer eines Internetanschlusses und lebte zum angeblichen Tatzeitpunkt gemeinsam in einem Haushalt mit seiner Ehefrau und seinen beiden Töchtern (20 und 25), alle namentlich benannt.
Mit Schreiben vom 11.06.2010 teilte die Deutsche Telekom AG aufgrund des Beschlusses des LG Köln vom 07.06.2010 der Klägerin mit, dass der Internetanschluss, über den am 11.10.2009 um Uhr der streitgegenständliche Film unerlaubt zum Herunterladen angeboten worden sein soll, dem Beklagten zugewiesen war.
Die Klägerin forderte den Beklagten mit Schreiben vom 11.08.2010 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. In dem Schreiben wurde zudem das Angebot unterbreitet, die Angelegenheit insgesamt gegen Zahlung eines Pauschalbetrages i.H.v. 850 € bei Zahlung bis zum 29.08.2010 zu erledigen. (Wegen der Einzelheiten wird Bezug auf das Abmahnschreiben, Bl. 27 ff. der GA, genommen.) Der Beklagte gab eine modifizierte Unterlassungserklärung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ab.
Die Klägerin behauptet, ihr stünden für das Filmwerk die ausschließlichen Nutzungs-und Verwertungsrechte zu. Diese habe sie von der Produzentin des Films, der im vorgelegten Lizenzvertrag aufgeführten Big Screen Entertainment Group, erworben. Soweit sie keine Video-On-Demand-Rechte oder sonstigen Online-Rechte übertragen bekommen habe, hindere dies ihre Befugnis, gegen illegale Nutzungen vorzugehen nicht, so ihre Ansicht.
Die Klägerin behauptet, über den Internetanschluss des Beklagten, dem zu diesem Zeitpunkt die IP-Adresse zugewiesen sei, sei am 11.10.2009 um Uhr das streitgegenständliche Filmwerk zum Herunterladen angeboten worden. Die Ermittlungen seien insoweit insgesamt ordnungsgemäß gewesen.
Die Klägerin ist der Auffassung, es spreche eine tatsächliche Vermutung für die persönliche Verantwortlichkeit des Beklagten. Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass die Ehefrau und die Töchter des Beklagten zum Tatzeitpunkt ebenfalls Zugriff auf den Internetanschluss hatten. Der Beklagte sei insoweit auch seine Nachforschungspflichten im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast nicht ausreichend nachgekommen.
Vorsorglich aber hafte der Beklagte auch als Störer. Er habe insoweit nicht dargelegt, dass er seinen Internetanschluss zum Tatzeitpunkt ausreichend gegen unbefugte Zugriffe von außen gesichert habe bzw. dass er seine Familienangehörigen ausreichend belehrt habe.
Die Klägerin meinte, der Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie betrage mindestens 400 €. Daneben haben sie einen Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren für das Abmahnschreiben i.H.v. 555, 60 € der Gegenstandswert für die Abmahnung sei dabei mit 7500 € in Ansatz zu bringen.
Die Klägerin beantragt,
Der Beklagte beantragt,
Der Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Er ist der Auffassung, dass die sachliche Nutzungsbefugnis im Falle einer Übertragung nur der Video- und DVD-Rechte nicht betroffen sei.
Er selbst habe die Rechtsverletzung nicht begangen. Da seine Familienangehörigen auch selbstständigen Zugriff auf seinen Internetanschluss nehmen hätten können, bestünde die ernsthafte Möglichkeit eines von der Täterschaft des Beklagten abweichenden Geschehensablaufs. Der Anschluss sei hinreichend gegen unbefugte Zugriffe von außen gesichert gewesen.
Er bestreitet, dass die von der Klägerin behaupteten Ermittlungsergebnisse erzielt worden seien unter Einhaltung der von der Klägerin dargestellten Ermittlungswege und dass diese Ermittlungen fehlerfrei das Ergebnis hervorgebracht hätten, dass vom Anschluss des Beklagten aus das streitgegenständliche Filmwerk öffentlich zugänglich gemacht worden sei.
Die Forderungen der Klägerin seien überdies verjährt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.06.2015 Bezug genommen.
I. Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Lizenzgebühr sowie auf Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung vom 11.08.2010 aus §§ 97, 97a Abs. 1 S. 2 UrhG.
1. Die Annahme einer täterschaftliche Haftung des Beklagten für etwaige von seinem Anschluss aus vorgenommene Rechtsverletzungen scheidet aus.
Für die Täterschaft des Beklagten spricht im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung der Klägerin kein Anscheinsbeweis. Zwar besteht nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.05.2010, Az.: I ZR 121/09, Sommer unseres Lebens) eine tatsächliche Vermutung dafür, dass dann, wenn ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP- Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen.
Die Annahme eines solchen Erfahrungssatzes kann in Mehrpersonenhaushalten jedoch keinen Bestand haben. In einer Gesellschaft, in der ein Großteil der Bevölkerung täglich auf das Internet zurückgreift, entspricht es vielmehr der allgemeinen Lebenserfahrung, dass neben dem Anschlussinhaber auch die sonstigen Mitbewohner den Internetanschluss selbstständig nutzen, ohne dass der Anschlussinhabern die Art oder den Umfang der Nutzung kontrolliert, geschweige denn bestimmt (AG Bielefeld, Urt. v. 20.08.2014, Az.: 42 C 257/14; AG Bielefeld, Urt. v. 14.08.2014, Az.: 42 C 165/14 m.w.N.).
In diesen Fällen genügt der Anschlussinhaber daher seiner sekundären Darlegungslast, wenn er seine Täterschaft bestreitet und darlegt, dass seine Hausgenossen selbstständig auf den Internetanschluss zugreifen können, weil sich bereits daraus die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes als die seiner Alleintäterschaft ergibt.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Beklagte der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast vollumfänglich nachgekommen, indem er vorgetragen hat, dass neben ihm auch seine Ehefrau sowie seine beiden Töchter zum streitgegenständlichen Zeitpunkt in der Wohnung lebten und Zugriff auf den Internetanschluss hatte.
Zu weiteren Nachforschungen und Darlegungen war er nicht verpflichtet. So kann insbesondere von ihm nicht verlangt werden, tatzeitbezogene konkrete oder auch nur generelle Angaben zum Nutzungsverhalten der weiteren Nutzer zu machen.
Hinsichtlich der Forderung nach generellen Angaben zum Nutzungsverhalten ist bereits nicht ersichtlich, welche Relevanz ein entsprechender Vortrag des Anschlussinhabers hierzu haben sollte. So ist es bezogen auf die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung völlig unerheblich, ob ein Mitnutzer das Internet (vermehrt) für Online-Shopping, zum Besuch von sozialen Netzwerken oder aber zum E-Mail- Austausch nutzt.
Soweit teilweise ein konkreter Vortrag mit Angaben zum Nutzungsverhalten im Tatzeitraum gefordert wird dahingehend, dass einer der Nutzer über den Internetanschluss regelmäßig Filesharing betreibt (und dabei auch das streitgegenständliche Werk für sich heruntergeladen hat und damit Dritten zum Download angeboten hat), kann dem nicht gefolgt werden. Dies hieße, die Grenze des Zumutbaren deutlich zu überschreiten. Zumutbar kann nur das sein, was zum einen tatsächlich möglich und zum anderen rechtlich zu verlangen ist.
Da die Internetnutzung zum Familienalltag gehört und deshalb üblicherweise nicht aufgezeichnet wird, dürfte ein Vortrag des Anschlussinhabers bezogen auf den konkreten Tatzeitraum in aller Regel tatsächlich schon nicht mehr möglich sein aufgrund Zeitablaufs, und zwar unabhängig davon, ob man die sekundäre Darlegungslast bereits an den Zugang der Abmahnung anknüpfen will oder- richtigerweise, da es sich bei der sekundären Darlegungslast um eine prozessuale Rechtsfigur handelt - an die Zustellung der Klageschrift. Denn bereits ein zurückliegender Zeitraum von mehr als einem Monat dürfte in aller Regel nur noch schwer erinnerlich sein. [Fettung von RA Niemeyer]
Rechtlich kann die Ermittlung des Nutzungsverhalten nicht verlangt werden, wenn zu den weiteren Nutzern ein Näheverhältnis im Sinne des § 383 ZPO besteht und der Anschlussinhaber daher aufgrund seines Zeugnisverweigerungsrechtes nicht zur Mitteilung des Ermittlungsergebnisses verpflichtet ist. Denn wer schon das Ergebnis von Ermittlungen nicht mitzuteilen braucht, den kann von vorneherein folgerichtig auch keine Pflicht zur Vornahme von Ermittlungen treffen.
Ebenso wenig erfasst die sekundäre Darlegungslast die Pflicht des Behauptenden, diesen Sachverhalt gegebenenfalls auch zu beweisen. Insoweit verbleibt die Beweislast hinsichtlich der anspruchsbegründenden Voraussetzungen bei der Klägerin (AG Bielefeld, Urt. v. 14.8.2014, Az.: 42 C 165/14), welche Beweis für ihre Behauptung, die Familienmitglieder des Beklagten hätten entgegen der Darlegung des Beklagten zum Tatzeitpunkt keine Zugriffsmöglichkeit auf den Internetanschluss gehabt, nicht angetreten hat. Soweit sie sich auf Parteivernehmung des Beklagten dafür berufen hat, dass er die Rechtsverletzung begangen hat, hat sie dieses Beweisangebot nicht aufrechterhalten nach dem Ergebnis der Anhörung des Beklagten.
2. Der Beklagte haftet auch nicht als Störer. Allein der Umstand, dass das behauptete Filesharing über den Internetanschluss des Beklagten durchgeführt worden sein soll, führt nicht zu einer Haftung als Störer. Vielmehr setzt die verschuldensunabhängige Haftung als Störer voraus, dass eine Verletzung von Prüf- oder Sicherungspflichten gegeben ist. Davon kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden. Ohne besonderen Anlass besteht keine Verpflichtung, die Internetnutzung des volljährigen Mitbenutzers auf mögliche Urheberrechtsverletzungen zu überwachen. Hinsichtlich der Verletzung von Sicherungspflichten ist das Vorbringen der Klägerin unerheblich, da die behauptete Urheberrechtsverletzung gerade auch durch die volljährigen Familienmitglieder begangen worden sein kann.
3. Die Frage nach der Ordnungsgemäßheit der Ermittlungen, der Aktivlegitimation, der Verjährung und der Höhe des Schadens brauchten aus den Gründen zu 1. und 2. nicht geklärt zu werden.
II. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Erstkontakt zur Orientierung über die Handlungsoptionen und Aussichten ist unverbindlich und kostenfrei. Sie können sich darauf verlassen, dass Sie von mir rechtzeitig erfahren, ab wann mein Tätigwerden vergütungspflichtig wird. Ich kann Ihre Situation am Besten einschätzen, wenn Sie mir die Abmahnung vorab schicken.
Rechtsanwalt Jens-Christof Niemeyer
Fachanwalt für IT-Recht
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